Five Dials in Berlin

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Jan Brandt.
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Claire Wigfall.
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Katy Derbyshire.

Es war dann irgendwie doch ganz berlinisch bei der Präsentation der britischen PDF-Literaturzeitschrift Five Dials mit deutschsprachiger Literatur (herausgegeben vom Penguin-Imprint Hamish Hamilton, hier runterladen) gestern in The Wye in Berlin-Kreuzberg, obwohl es mit einem sarkastischen, zeitgemäßen Berlin-Bashing von Jan Brandt anfing. Er hatte das Herz auf seinem „I love-Berlin“-T-Shirt mit schwarzem Tape ausge-x-t und wagte eine Tour de Haine aus Literaturzitaten von Rosa Luxemburg bis Heinrich Hauser („Berlin lives on what New York throws away as trash“), beginnend mit aktuellen Hassdingen wie dem Schönefelder Flughafen, Hertha BSC oder Klaus Wowereit. Das alles vorgetragen, stehend auf einer Holz-Europalette, bestrahlt von zwei an einen Schreibtisch geklemmten Ikea-Leselampen, die das Publikum blendeten, vor einem Mischpult – eine wahrlich Berliner Szenerie, Improvisation trifft auf Pragmatismus. Nicht schön, aber funktional. Die versammelte englischsprachige Berliner literary crowd, dressed up, und ein paar Quotendeutsche waren dem Ruf der Star-Organisatorin Sharmaine Lovegrove (Dialogue Books) gefolgt und lachten über sich und über andere, Jan verzog keine Miene, erst später beim Bier. Überhaupt, das Bier. Und der Wein. Und das socializing. Die standen so offen im Mittelpunkt, als der Herausgeber Craig Taylor oder war es die Heftredakteurin Anna Kelly in ihrer sympathisch-chaotischen Rede ankündigte, dass es fünf Lesungen à fünf Minuten gäbe und dazwischen eine halbe Stunde Pause, wie es sich keine deutsche Literaturzeitschrift zutrauen würde. Aber ok, warum gehen wir denn alle zu Lesungen? Wegen der Literatur doch nicht, oder?

Dabei war das Leseprogramm exquisit und zumindest ich hätte gerne mehr gehört, vielleicht nur etwas schade für Judith Schalansky, dass sie als einzige auf Deutsch vorlas, aus ihrem „abgerockten Exemplar der ersten Ausgabe“ von „Der Hals der Giraffe“, ein Buch, das sicherlich die anwesenden Deutschsprachigen eh schon kannten und das in „ein paar Jahren“ auch auf Englisch erscheint, sagte Anna Kelly. In ein paar Jahren?? Die englische, in Berlin lebende Autorin Claire Wigfall, die meist über Orte schreibt, an denen sie noch nie war, hatte den Anfang einer neuen Geschichte mitgebracht, „die vielleicht in Moskau spielen könnte“. Schade, dass sie wohl nie über Berlin schreiben wird! Eine Überraschung für mich war Joe Dunthorne, der surreal-komische, lässig-gemeine Prosagedichte vortrug, drei nur, aber das reichte aus, um mehr lesen zu wollen. Und weil es ja um Bier und Wein und socialising ging, passte nichts besser zum Abschluss als ein Ausschnitt aus Tilman Rammstedts „Erledigungen vor der Feier“, vorgetragen von der Übersetzerin Katy Derbyshire, so rythmisch wie es Tilmans Text perfekt zu Gesichte stand. I like to Party, I like, I like to Party.

Ich weiß nicht genau, mit wem ich gestern alles sprach, denn manche Namen hab ich gar nicht richtig verstanden, weil es so laut war. @Sophie: Wenn du das hier liest, schick mir gerne dein Exemplar von Indigo :).

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Noch was zum Hassen: Berliner Winternachtstraße, dunkel, kalt und matschig. Aber so schön, wie die Fahrradspuren sich kreuzen, oder? Ich mag Berlin, genau deshalb.